25. April 2018

1996 Warum reist frau alleine


Warum reist frau alleine durch Urwald und Steppe?


Ständig werde ich gefragt: Hast Du keine Angst? - Bist Du nicht einsam? - Woher nimmst Du Deinen Mut? - Warum reist Du alleine? usw. usw.

Mit meinem Bericht möchte ich nun andere Frauen, vielleicht auch nicht mehr so ganz jung an Jahren wie ich, ermutigen, diesen offensichtlich noch immer ungewöhnlichen Schritt zu unternehmen - und gleichzeitig Männern aufzeigen: Es geht auch mal ohne euch!

Die Welt des Reisens hat mich schon seit Jahren gepackt. Bereits im Jahre 1979 habe ich zusammen mit meinem damaligen Mann, ausgehend von Australien mit Frechtschiff, Neuseeland durchstreift. Doch meine wahre Liebe galt immer dem Urwald und dem Abenteuer. 1990 entschloss ich mich spontan, einen 6-wöchigen Tripp nach Indonesien zu unternehmen und flog kurzerhand nach Singapur, ohne KKM: Kind, Kegel, Mann. Nach den ersten stark gewöhnungsbedürftigen Nächten an einer 8-spurigen Straße im "Why not homestay"-Guesthouse in einem ca. 20 Männlein-Weiblein-Schlafsaal und dem ersten "Schock" des Exotischen ging's weiter mit Flugzeug nach Sumatra, anschließend per Bus, Schiff, Zug, Motorrad, etc. nach Java, Bali, Lombok - und (für Kenner) Gili Travangan. Meine Erfahrungen mit Urwald, mit dem ich das erste Mal zus. mit meinen beiden indonesischen Führern für ein paar Tage Kontakt hatte, mit der einheimischen Bevölkerung und dem Alleinreisen waren durchweg positiv. Fast überall wurde ich bestaunt und immer wieder gefragt: Warum reist Du allein? Auf diese Frage muss frau situationsbedingt antworten: allein unter Frauen, was selten der Fall ist: die Wahrheit, allein unterMännern: Interesse am Land, schreibe ein Buch, Ehemann hütet zu Hause die beiden Kinder (Bilder immer in der Tasche)! Resultat: Alle sind zufrieden und ich kann beruhigt meiner Wege gehen. Auf dieser Reise traf ich auch eine ganze Menge Traveller aus aller Welt, die ich dann im weiteren Verlauf manchmal wiedergetroffen habe. Ab und zu sind wir zusammen weitergereist, dann mal wieder alleine weiter usw.

Nach diesen erfolgreichen Wochen bekam ich noch mehr Mut und plante meine nächste Reise nach Borneo unter dem Motto: Allein unter Kopfjägern!
Ausgehend von Kuala Lumpur startet ich in Sabah, Kuta Kinabalu, dem malaysischen Teil von Borneo. Von dort ging es mit Bussen weiter in den Norden der Insel, anschließend auf dem Seewege in den indonesischen Teil Kalimantan.
Die Reise führte mich weiter in den Süden. Es folgte ein kurzer Abstecher nach Sulawesi zum Tauchen. Auf dieser 2 1/2 tägigen Schiffsfahrt traf ich den einzigen Europäer unter ca. 300 Indonesiern, nämlich Erich, den deutschen Schiffssicherheitsingenieur, der sich freute, mir das einzige freie Plätzchen in seiner Kabine zur Übernachtung anbieten zu können und (ausschließlich) glücklich war, endlich mal wieder Deutsch sprechen zu können, was er dann auch fast ununterbrochen tat.
Sobald ich mich aus meiner Kabine herauswagte, sprach es sich auf dem Schiff wie ein Lauffeuer herum, dass "die Fremde" draußen wäre, und innerhalb von 5 Minuten war ich umringt von ca. 30 Leuten, die mich bestaunten. Dann weiter auf Borneo per Bus und Mini-Flugzeug (4 männl. Passagiere, 1 Pilot)
wieder aus dem indonesischen Teil in den malaysischen Staat Sarawak. Meine beiden Tripps auf einem der zahlreichen Wasserstraßen ins Landesinnere mit jeweils einem indonesischen Führer verliefen auch sehr positiv und abenteuerlich. Die Familie wurde mir vorgestellt, ich wurde zusammen mit allen fotografiert, hinterließ ein paar deutsche "Andenken" und alle waren glücklich. Von dieser Reise muss ich allerdings sagen, dass ich zu oft alleine nur mit den Einheimischen war und ich sehnte mich nach den meist sehr lustigen und netten Zusammentreffen mit anderen backpackern. Wo ich auftauchte erregte ich Aufsehen und wurde bestaunt, was einem nach einer Zeit doch sehr auf den Nerv gehen kann. Die fehlenden Englischkenntniss der Insulaner waren dann auch manchmal zeitraubend und anstrengend, worauf ich beschloss, vor der nächsten Reise die entsprechende Sprache einigermaßen zu erlernen.

Meine weiteren Erfahrunge in Marokko waren manchmal sehr nervend, da die arabischen Männer doch recht aufdringlich sind, besonders wenn sie mitbekommen, dass frau Französisch spricht. Mir wurde auch einmal nach längeren Diskussionen mit einem marokkanischen Mathematiklehrer gesagt, dass er es nicht gut fände, wenn selbstbewusste, alleinreisende und dann noch in seinen Augen feministische Frauen "aufrührerisches Gedankentum" in sein Land brächten und er wolle sich nicht länger mit mir unterhalten. Andererseits war ein Hotelbesitzer total begeistert, wollte mich heiraten und hatte die Idee, dass ich marokkanische Frauen selbstbewusster in ihrer Eigenschaft als Frau unterstützen solle.

Die Gründe für meine alleinigen Unternehmen sind pragmatischer Art: Reisen ist meine absolute Leidenschaft. Ich habe nichts dagegen, mit einem Freund oder Freundin zusammen zu reisen. Dieses scheiterte meistens jedoch an der bei manchen noch vorhandenen Familie, Geld, Mut, Zeit oder auch mangels Masse an entsprechenden Leuten. Dadurch dachte ich: Wat mut, dat mut, reise alleine, wenn Du die Welt kennenlernenwillst und warte nicht auf Mitreisenden, denn dafür ist das Leben zu kurz und Leute trifft frau unterwegs meistens genug! Was den Mut anbelangt, so wächst er mit der Zeit immer mehr. Wenn frau selbstbewusst auftritt, weiß, was sie will, ebnet Mann ihr wirklich den Weg. Zum Thema Einsamkeit muss gesagt werden, dass man unterscheiden muss zwischen Alleinsein und Einsamsein. Voraussetzungen für das Alleinsein auf Reisen sind psychologische Kenntnisse der eigenenPersönlichkeit, das Wissen, auch mit schwierigen Situationen allein fertig werden zu können, wunderschöne Erlebnisse auch alleine genießen zu können sowie gutes Informationsmaterial für entsprechende Rucksackreisen. Einsamkeit stellt sich manchmal an blau-grünem Wasser, einsamen Korallenstränden, wunderschönen, rauchenden Vulkanen und bei phantastischen Erlebnissen ein, wenn dann gerade nicht der /die entsprechende Freund/In da ist, um das mit einem zu teilen. Doch diese Momente vergehen meistens schnell, da ich weiß, dass zu Hause gnügend Freunde da sind, die später intensiv an den Erlebnissen Interesse haben werden.

Erwähnen möchte ich noch, dass ich mich seit jeher bemühe, einen sanften Tourismus zu praktizieren, d.h. mich in einer unweltverträglichen und sozialverantwortlichen Art und Weise in den jeweiligen Ländern zu verhalten.

Meine nächste Reise wird mich nun in ein für mich neues Gebiet, nämlich nach Mittelamerika, nach Costa Rica und Panama führen, von wo aus ich später über den berühmt/berüchtigten Darien-Trek in den Choco-Regenwald nach Kolumbien wandern möchte. Mal sehen, was mich dort erwartet!

Also auf, Frauen: Fehlen die entsprechenden Mitreisenden und ihr habt Lust, die Welt zuz entdecken, reist, reist! Es ist ungefährlicher als ihr denkt. Doch bemüht euch auch, dieses in einer integrativen Form zu tun.

Annette Weirich (1996)